Eine der besten Köchinnen der Welt eröffnet ein Restaurant auf Mauritius.
Ihr Keramik-Geschirr lässt sie von einer Zuger Künstlerin gestalten.
Unser Autor war bei der Eröffnung dabei.
Wie der Mauritianer in stupendem Gleichmut den dünnen Stamm der Kokospalme hochklettert, erinnert er mich an einen Palmendieb. Damit ist nicht etwa ein Ganove gemeint. Sondern das grösste Landkrebstier unseres Planeten. Er ernährt sich von frischen Kokosnüssen und da er nicht wartet, bis sie zu ihm kommen, oder besser, fallen, geht er eben zu ihnen. Dazu klettert das Monstrum zu den Nüssen in luftiger Höhe hinauf, schneidet sich die schönste ab, sie plumpst unten in den Sand. Danach krabbelt es in aller Seelenruhe zurück den Stamm hinunter. Eile kennt der Krebs nicht. Er weiss, was alle wissen. Was nämlich seine gewaltigen Scheren – ausser Kokosnüsse aufknacken – einem richtigen Palmendieb antun könnten.
Am Strand neben mir steht Anne Sophie Pic (ASP). Die Patronne und Küchenchefin des legendären Maison Pic (3*** Michelin) in Valence, nahe Lyon, begutachtet das Bündel Kokosnüsse, das der geschickte Kletterer an einem dünnen Seil aus der Baumkrone heruntergelassen hat. Ein weiteres Staff Mitglied schlägt mit seiner Machete den Inhalt der Nuss frei, er schenkt Anne Sophie von der klaren Flüssigkeit in ihr Glas ein. «Genauso muss frisches Kokoswasser schmecken, und das hier», sie zeigt mir das milchig-weisse Innere der Nuss, «hat die perfekte Konsistenz für mein neues Hummergericht. Aber erzähl, wie wars beim Fischen?».
Ich bin in Mauritius, im famosen One & Only Le Saint Géran und gerade von einem Fishing-Trip zurück. Unter den Mitarbeitern hat sich die Nachricht von meinem kapitalen Fang eines riesigen, blauen Marlins bereits in Windeseile verbreitet.
Das Resort liegt auf einer privaten Halbinsel in den ruhigen Gewässern einer geschützten Lagune, gesäumt von kilometerlangen, unberührten Sandstränden, mit Korallenriffen auf der einen und tropischer Flora auf der anderen Seite. Die Landschaft und die aromatische Komplexität der Produkte, die auf der Insel zu finden sind, haben Anne-Sophie zu einem Menü inspiriert, das die Texturen und Geschmäcker der Insel miteinander verbindet – von Kokosnuss über Hibiskus bis zu Palmherzen. Ihr kulinarisches Ethos: lokale Produkte und deren Aromen hervorzuheben.
Madame Pic ist in den letzten Vorbereitungen für ihr Gala-Dinner zur Eröffnung ihres Pop-up Restaurants hier im Resort. Die leider einzige Frau im französischen 3*** Club (und eine der ganz wenigen überhaupt auf der Welt) ist in der Schweizer Top-Kulinarik keine Unbekannte. Seit 13 Jahren wird im Hotel Beau Rivage in Lausanne nach ihren Vorgaben gekocht. Mittlerweile leuchten auch dort zwei ** des Michelin-Führers über ihrem Rstaurant
Sie gilt als eine der umtriebigsten UnternehmerInnen im exklusiven Kreis der SpitzenköchInnen. Neben diversen Gastro-Konzepten in ihrer Heimatstadt Valence und in Paris betreibt sie Kochschulen, Gourmetgeschäfte mit eigenen Produkten, sowie ihre internationalen Ableger ,La Dame de Pic’ in London, Singapur und Lausanne. Und ab jetzt auch in Mauritius. «Bedeutet die Vervielfachung Deiner Kochkunst und Deiner Konzepte nicht auch ein Verwässern von Qualität und Ruf»? ASP beruhigt. «Es geht mir nicht darum, meine 3*** Küche in Valence zu reproduzieren. Jeder Standort verlangt nach einer eigenen, kulinarischen Sprache und die Auswahl der wichtigsten Zutaten und Kochtechniken ist immer auch eine Reminiszenz an die regionalen Gebräuche. Darum auch meine Wahl dieser Kokosnuss für den Hummer aus dem Meer vor uns. Natürlich ist der Ehrgeiz bei allen meinen Küchenchefs da, sternewürdig zu kochen. In Lausanne haben wir dieses Ziel schon lange erreicht, mit zwei Sternen».
Der Ort hier hat auch noch eine andere Bedeutung für Anne Sophie. Sie feierte ihren Honeymoon im Le Saint Géran, vor 30 Jahren. Seither begleitet David Sinapian, ihr Mann, sie nicht nur durch ihr Eheleben, sondern unterstützt sie im Business bei allem, was sie vom Kochen abhalten könnte. Ein perfektes Team.
Das Eröffnungs-Dinner abends löste alle Versprechungen des Rufs von ASP mehr als ein. Eine marinierte Tomatenscheibe mit lokaler Vanille war von sublimer Einfachheit und doch so schmackhaft. Der Oktopus mit Palmherzen und Mango stand butterzart für die lokale Küche und so tat es das maisgefütterte Huhn mit Voatsiperifery Pfeffer, einer heimischen Sorte. Das Menü wurde begleitet von Weinen eines der besten Weingüter Südafrikas, Mullineux.
Roman Goetsch, der aus Zürich stammende General Manager des Hotels, könnte glücklicher nicht sein, über die Zusammenarbeit mit der französischen Spitzenköchin. «ASP passt perfekt zu uns. Dasselbe hohe, kompromisslose Streben nach allerhöchster Qualität, der Einbezug und die Rücksichtnahme zu lokalen Strukturen, Bevölkerung und Produkte, dafür steht sie genauso, wie wir bei One&Only». Bereits arbeiten sie zusammen an einem nächsten Projekt, ob es für das neue Resort in Montenegro oder in Griechenland ist, wollte mir keiner von beiden verraten.
Anne Sophie erinnert mich nicht nur in ihrem Kochstil an unsere nationale Küchen-Ikone, Tanja Grandits. Wie sie lässt die Französin keine Sekunde Zweifel daran, dass Herzlichkeit, Engagement für ihr Team und der Austausch mit kulinarisch interessierten Menschen, ihr wichtiger sind als Star-Status. Da hat jeder, der über Essen schreibt, schon anderes erlebt, in der (männerdominierten) Spitzengastronomie.
Infobox:
Anne Sophie Pic betreibt ihr temporäres Restaurant ,La Dame de Pic at Prime’ im One&Only Resort Le Saint Géran noch bis am 4. März 2023. In der Schweiz führt sie seit 2009 ihr Restaurant ,La Dame de Pic’ im Hotel Beau Rivage in Lausanne. Das Geschirr lässt sie sich von der Zuger Künstlerin Cornelia Hofstetter designen.
Die Reise unterstützt haben die Agentur Segara, One&Only und Strohbeck Reisen in Stuttgart, dem Spezialisten für Luxus-Reisen im indischen Ozean & Afrika.