Ist mein Ragù das beste der Welt? Ja. Denn mit keinem Gericht setzte ich mich intensiver auseinander.
Das erste Mal in der Bologneser Trattoria da Me, einer einfachen Beiz. Die Tagliatelle all Ragù dort waren von einem anderen Stern und sind – zusammen mit zwei, drei anderen Orten – für mich noch immer ein Massstab dafür, was mit wenigen Zutaten, dafür umso mehr Sorgfalt bei der Zubereitung möglich ist. Der Koch, Beppe, ein eingewanderter Sizilianer, verriet mir sein Rezept natürlich nicht, er zählte nur auf, was er nicht darin verkochte. Nämlich Butter, Olivenöl, Wein, Milch, Kräuter, Knoblauch oder Bouillon, alles Zutaten, die immer wieder auch in renommierten Rezepten auftauchen. Natürlich experimentierte ich fortan auch ohne alle diese eigentlich typischen Zutaten, die Ergebnisse waren vielversprechend. Viel später schimpfte dann die Mama meines Freundes Alberto Bettini in Savigno mit mir, darauf beharrend, dass ihr Rezept, das allein selig machende sei. Mein Einspruch, dass der essenzielle Charakter der Fleischsauce nur durch die Beschränkung auf das Wesentliche erreicht wird, liess die Mama nicht gelten. «Riccardo, lo abbiamo sempre fatto così e meglio di così non si può. Per questo continueremo a farlo in questo modo. Basta cosi ! » Tja.
In den Monaten, die ich dort in der Küche der Trattoria Amerigo verbrachte, wurde mir klar, was ein Weltklasse-Ragù zu dem macht: Zeit und Aufmerksamkeit. Sie sind wichtiger als Milch oder keine, Öl oder Butter oder beides, oder gar kein Fett. Vom drei Sterne Koch Bottura lernte ich, dass es auch ohne Tomaten geht. Seine historische Interpretation eines Rezeptes, an dessen Entwicklung sich unzählige Generationen abarbeiteten, verzichtet auf sie, weil Tomaten erst im 16. Jahrhundert in Europa ankamen. Wer die geschmackliche Wucht seines aus Ochsenschwanz, Zunge, Brustfleisch und Backe der Kuh geschmorten ragù bianco kennt, vermisst das bisschen Frucht und Farbe, die Tomaten beisteuern, keine Sekunde. Trotzdem, für mich gehören sie dazu, wenn auch in bescheidener Menge. Nun, mit meinem Rezept, das aus der Essenz nicht nur der oben beschriebenen Zubereitungen berühmter und weniger berühmten KöchInnen und gegessener Proben besteht, sondern auch Einflüsse von längst verstorbenen Buchautorinnen wie Hasan, Marchesi oder Kaltenbach enthält, komme ich der ursprünglichen Idee des Ragù Bolognese so nahe wie kaum ein anderes. Nämlich das – wie in der Armeleuteküche üblich – zu knappe Fleisch mit handwerklicher Findigkeit und Geduld sowie sorgfältig ausgewählten Zutaten in eine umamistrotzende, köstlichste Sauce mit enorm gesteigertem Fleischgeschmack zu verwandeln.