Trends? Dass ich nicht lache. Alles war schon einmal da.
Es gibt Dinge, die tauchen beständig im falschen Moment auf. Die Polizei, kurz nachdem der Auspuff meiner Kawa weggebrochen war. Die Wespe, als ich unbekleidet einem Nickerchen auf meiner Terrasse frönte. Der Kuhfladen, auf dem ich beim Training in den Bergen ausrutschte, und der daraus resultierende Bänderriss eine zwölfmonatige Vorbereitung auf einen Bergmarathon obsolet machte.
Genauso verhält es sich mit Trends. Kommen sie zu früh, versteht sie keiner; als erster folgen möchte eh niemand, denn Trends können sich ja als Rohkrepierer herausstellen. Sind sie etabliert und die Masse giert danach, sind sie keine mehr. Und geht ihnen der Schnauf aus, will da noch einer dabei sein? Ist ja uncool, wer schmückt sich schon gerne mit einem Kainsmal der Bedeutungslosigkeit. Nur, und das scheinen diejenigen, welche ihr Leben entlang von Acai und Poke-Bowls, Ramen, sharing plates und Steinzeit-Diät aufreihen, zu übersehen: Alles, was vermeintlich neu ist, was einfallslose Gastronomen und Händler sogar gerne als eigene Kreationen und Strömungen preisen, was Journalisten und Influencer noch Tage nach (Gratis)Testessen aussehen lässt, als wären sie beim Orgasmus vom Blitz getroffen worden, und in ihren Postillen von noch nie Dagewesenem schwadronieren;
Es war alles schon da.
Ethnofood (weniger sexy, Länderküchen): Mexikanisch oder thailändisch wird in den entsprechenden Gebieten schon immer gegessen. Was dann zu uns herüberschwappt, ist entweder ein verdrehter, lauer Abklatsch (Tex-Mex) oder einem für Schärfe und Würze unzugänglichen Schweizer Geschmack angepasste, grottenlangweilige Tom Kha Gai, kantinentauglich.
Sharing plates: Tönt eben hipper als ‚Darf ich mal von dir probieren‘. Ein ernsthafter Koch machte sich früher ebensolche Gedanken zur Aromenabfolge, an derer er seine Gäste teilhaben lassen wollte. Heute darf man froh sein, wird einem nicht auch das Dessert zu allem anderen in die Mitte des Tisches geknallt. Nicht zu vergessen, in China kommt schon seit jeher alles miteinander in 100 Schälchen auf den Tisch. Und ich erinnere mich an meine Ferien bei meiner Salzburger Grossmutter. Sie stellte ein gusseisernes Gestell in die Mitte des Tisches, zuunterst fanden die Marillenknödel Platz, darüber eine Platte mit Krapfen, und zuoberst eine grosse Schale mit warmer Milch, in die jeder seinen Löffel tauchte.
Vegan/vegetarisch: Himmel nochmal, was soll da trendig sein daran? Vor allem in Indien, aber auch in anderen Ländern, ernähren sich hunderte Millionen Menschen schon immer ohne Fleisch. Bei uns wird ausschliesslich Gemüse essen zum Sektierertum hochgebetet. Kam mal einer auf die Idee, einer indischen Hausfrau eine Trendsetter-Medaille umzuhängen?
Lokale/regionale Produkte: War bis vor 150 Jahren so normal wie heute peruanischer Spargel im Weihnachtsmenü. Gewürz war das Einzige aus fernen Ländern, aber auch nur getrocknet und teuer wie die Kronjuwelen. Zum einen machen Produkte aus nächster Umgebung nur dann (geschmacklich) Sinn, wenn sie auf Wochenmärkten direkt beim Produzenten eingekauft werden. Im Handel versickert ein grosser Teil der Frische in Logistik und aufwendiger Verpackung. Andererseits verstehen viele Konsumenten immer noch nicht, dass regional und naturnah produziert IMMER auch strikt saisonal heisst. Und dem verweigern sich nicht wenige Köche, im Restaurant wie zu Hause.
Kürzlich referierte ich an einem Gastronomie-Forum über Trends. Natürlich wollten die 500 Zuhörer aus Handel und Gastgewerbe von mir hören, wohin der Zug essensmässig steuert. Sie hörten aber von mir weder enthusiastisches Lob über Insekten-Brunch (ich kenne keinen, der in Heuschrecken beissen möchte) noch ein Mantra auf Naturweine (von denen noch immer die Hälfte schlicht und einfach fehlerhaft sind, was aber die Spontanvergärungs-Jünger an Tastings nicht daran hindert, die sauren Böckser-Möste verzückt in den Demeter-Himmel zu loben). Nein, meine Kernaussage war eine andere: Macht das richtig, was ihr gelernt habt. Nehmt den Gast für voll und wichtig, versteht, was er erleben möchte, an euren Tischen. Und das ist vor allem das Bewährte, aber dies in allerbester Manier und Hingabe. 80% der Schweizer kaufen dieselben Lebensmittel ein wie vor 30 Jahren. In die zehn beliebtesten Gerichte in der Schweiz konnte sich neben Schnipo, Cordonbleu, Burger und Spaghetti Bolo, als einzige Exotin das grüne Thai Curry schleichen, natürlich in komplett entschäfter Version, sozusagen die Wasserpistolen-Variante des 44er Magnum-Currys auf den Märkten in Bangkok. An neuen Foodtrends ist die Hälfte aller Konsumenten interessiert, aber leben tun es die Allerwenigsten. Zuwenig, um mehr als einige Nischenanbieter überleben zu lassen.
Fragt sich denn niemand, warum Lokale, die sich jeglichen Trends verschliessen, teilweise seit Jahrzehnten brechend voll sind? Warum wir alle es lieben, in Italien unsere Lieblings-Trattorias zu stürmen und dort jedesmal dermassen gut und glücklich essen, dass wir auf der Stelle sterben wollen?
Ein altes Börsianer-Sprichwort sagt uns: The trend is your friend. Das mag eine Weile gut gehen. Und sich für einige wenige auszahlen, die rechtzeitig wieder aussteigen. Gastronomen und Köche, die dann irgendwann auch auf einen vermeintlichen Trend aufspringen wollen, sollten sich eine andere Börsenweisheit merken: Never catch a falling knive.
Eine nicht abschliessende Aufzählung einiger Restaurants, die nicht jeden Furz mitmachen und gerade darum schon lange gut und sympathisch sind:
Zürich
Kronenhalle
Didi’s Frieden
Zum weissen Kreuz
Da Angela
Caduffs Wineloft
Helvetia
Bodega
Ojo de Agua
3 Stuben
Hermanseck
Obere Flühgasse