..und was die vegane Version davon mit einer Hermes Tasche zu tun hat….
Von Fake-Eiern und anderen veganen Marketing-Schöpfungen. Eine Glosse über vermeintliche Nachhaltigkeitsbemühungen und kreative Marketingabteilungen. (Ähnlichkeiten mit Schweizer Retailern sind rein zufällig und unbeabsichtigt).
Marketingleiter Kunz tut etwas, was er sonst nie tut. Er zieht seinen Bauch nicht etwa ein, bevor er das Sitzungszimmer betritt. Er drückt seine Wampe sogar noch mehr heraus, sie hängt nun über seinen Gürtel. Den soll nämlich niemand mehr zu sehen bekommen. Als MiCopAnor-Kader muss er Vorbild sein, zumindest vordergründig. Es war schliesslich seine Idee gewesen, im letzten Meeting zur neuen Vegan-Strategie des führenden Retailers alle seine Untergebenen auf den Verzicht nicht nur von tierischen Esswaren einzuschwören, sondern auch von Leder-Accesscoires. Zumindest während des Eggebruary. Was für ein bescheuerter Name, lästert Kunz in Gedanken. Dabei hatte er am heftigsten geklatscht, als der CEO damals beim Brainstorming die eigene Kreativität damit unter Beweis stellte. Gerade kommt er vom morgendlichen Rapport beim Chef. Der wollte wissen, wie das Ei, das nur vorgibt, ein Ei zu sein, performt. «Hmm, das Ei des Kolumbus haben wir damit noch nicht erfunden, aber…» Der Chef unterbricht ihn: «Keine müden Scherzchen, Kunz, die Dinger müssen abheben, die Marge ist traumhaft! Zur Hälfte aus Wasser, das nichts kostet, und amerikanischem Soja-Protein, halb so teuer wie einheimisches, und wir verlangen für den Fake doppelt soviel wie für richtige Eier!»
Mit dem Hinweis auf sein eigenes Meeting gelingt Kunz der rasche, befreiende Abgang aus der GL-Sitzung. Die höchstinstanzliche Standpauke klingt in seinen noch immer roten Ohren nach, darum fällt die Begrüssung des Marketingchefs an seine Truppe etwas mau aus. Die Divisionsleiter der verschiedenen Warengruppen rufen trotzdem ein erwartungsvolles Guten Morgen nach vorne. Das der Metzger-Fraktion hört sich wenig enthusiastisch an, aber Kunz verzichtet auf eine Massregelung. Solange Fleischeinkäufer Heer die täglichen Rindsfilet-Lieferungen an Kunz’s Adresse – unter Kohlköpfen versteckt als Gemüse-Abo getarnt – organisiert, möchte er es nicht mit ihm verscherzen. Der ganze Fleischeinkauf wurde zwar vom Zwang des veganen Monats ausgenommen, nachdem in deren Abteilung ein Komplott aufgedeckt wurde. Rechtzeitig. Ziel war, die Kantine im HQ am Limmatplatz zu kapern und zur meat-only Zone zu erklären. Nach 3 Tagen gaben die Metzger auf. Der Küchenchef – Vegetarier – hatte gedroht, sich aus dem Fenster des 16. Stockwerks zu stürzen, wenn er nicht sofort ein Rüebli erhielte.
Kunz Assistentin, Frau Wernli, nestelt derweilen missliebig Unterlagen aus ihrer neuen Bio-Baumwolltasche. Sie hadert mit dem Entscheid, ihre Hermes Birkin Bag – ein Geschenk ihres Herzensmenschen – in den Caritasladen zu tragen. Die edle Spende plant-positive und instagrammable fotografisch festzuhalten, gelang zwar. Sie hatte sich aber mehr erhofft, als drei Likes von hardcore-vegan Influencerinnen. Nämlich den digitalen Applaus – und somit Karrieretreibstoff – von einigen GL-Mitgliedern.
Das Meeting wogt engagiert hin und her, das Thema, weitere, fleischlose Monate samt Angebote zu kreieren, polarisiert. Kunz verkündet Pause. Darin ist er gut. Metzger Heer kramt ein Lardo-Sandwich aus seiner Mappe, die Raumwärme hat den weissen Speck halb verflüssigt, es schweinelt penetrant. Neben ihm sitzt Frau Heller von der plant based-Fraktion. Sie ist zutiefst überzeugte Veganerin und erbricht sich in ihr Taschentuch aus Bio-Flachs, natürlich ungebleicht. Konsterniert betrachtet sie das Häuflein Tofuwürfel in ihrem Tüchlein und bedauert den Proteinverlust.
Die Fleischfraktion johlt, an einen protokollgemässen Abschluss der Strategiesitzung ist nicht mehr zu denken. Kunz verlangt trotzdem von jedem ein Resumee. Auch KV-Stift Plüss, der Beamer und Kaffeemaschine bediente, ist aufgefordert. «Auf die Gefahr hin, dass Sie mich feuern, Herr Kunz, aber mit Verlaub, Sie alle sind bescheuert. Verwandeln Erbsen und mehr Gemüse mit riesigem Ressourcenaufwand, immensen Kosten und tausend Zusatzstoffe in Dinge, die wie völlig andere aussehen, und doch nie wie diese schmecken. Anstatt mit der Kohle den Produzenten für weniger Masse, dafür beste Qualität viel mehr bezahlen. Damit deren Gemüse so unglaublich gut wird, dass niemand nur auf die Idee kommen könnte, sie in nach Karton schmeckendes ,Fleisch’ oder sonstigen plant based Schrott zu verwandeln. Bieten Sie nur noch Fleisch von Tieren an, die allerhöchsten Standards des Aufwachsens genügen, es wird Sie und den Kunden zehn Mal mehr kosten, dieser wird dadurch seinen Konsum drastisch reduzieren. Und was sollen die Berge von geschmacklosen Beeren im Angebot, selbst im Winter? Sind sie stolz darauf, solchen Mist zu verkaufen? Da können Sie sich ihre Nachhaltigkeits-Medaillen zusammen mit den fake eggs Sie wissen schon, wohin schieben!»
Es ist still geworden im Saal, Kunz schluckt, er ist gerade überfordert und beendet das Meeting. Auf der Heimfahrt läutet sein Telefon, der CEO. Er will Erkenntnisse aus der Sitzung hören. «Viel kam leider nicht vom Einkauf, die haben sich verrannt. Aber ich entwickelte am Ende der Sitzung eine Vision, die müssen wir umsetzen. Zwingend.