Was soll man essen? Was nicht?
Die himbeerfarbene Buttercreme Torte türmt sich vor mir auf, zufrieden betrachte ich mein soeben fertig arrangiertes Meisterwerk. Ein Testlauf, für das nächste delicuisine-Shooting. Ich weiss, da werden sich nicht wenige Schleckmäuler darum reissen. Selber hineinbeissen, das kommt mir nicht in den Sinn. Nicht, weil mir gerade eine Speckrolle an der Hüfte wächst. Nein, den süssen Kelch lasse ich gerne vorbei ziehen, er ist der einzige, worauf meine kulinarische Lüsternheit nicht anspringt. Diäten. Das Wort kenne ich nur von meinen regelmässigen Ayurveda-Kuren, die ich mir in Indien gönne. Natürlich nicht, um Gewicht zu verlieren. Wohl eher, um an Weisheit zuzunehmen und die tollen Massagen zu geniessen. Und weil es meinem Körper gut tut. Darum futiere ich mich auch um diese eine Frage von kosmischer Dimension: Was soll, was darf ich essen? Ich esse alles. Weil ich alles essen WILL. Vor allem alles, was ich gerne habe, immer mit möglichst viel Lust und auch genug. Was für jeden individuell sein kann. Irgendwann riefen mich meine Kumpels nur noch ‚the container‘. Und das nicht, weil ich in einem schlief. Im Gegensatz zu den unzähligen Diäten, die oft haarsträubende Doktrinen verbreiten (mit ebenso hanebüchenen Erfolgsversprechen) ist meine nicht wirklich eine.
Die perfekte Diät
Ich verrate sie gerne und sie ist auch nicht neu: Den Schwerpunkt auf Gemüse, Früchte, Vollkorn, Nüsse, Hülsenfrüchte, Samen und viel Wasser trinken. Das angereichert mit mehr oder weniger Milchprodukte, wenig Fleisch, viel Fisch, Fett – egal welches. Hört sich nach Spassbremse an? Mitnichten. Darum auch nicht zu knapp: Champagner, Pasta, Weissbrot, Chips (der einzige Junkfood, dem ich verfallen bin). Hört sich alles unspektakulär an, darum die Theorie dazu: Es geht nicht um das Vermeiden, sondern um Ausgewogenheit. Und – wichtiger – um die Lust daran. Wer miesepetrig isst und dabei fürchtet, seine Lasagne lagert sich augenblicklich im Hintern ein, dem passiert das auch. Und wird sie dort nicht wieder los.
Freude am Essen, Freude am Leben!
Solche Gedanken haben nicht nur während dem Essen keinen Platz, sondern nirgends im Dasein. Nicht, dass ich mich jetzt seit 60 Jahren nur freudestrahlend durch das Leben balanciere, aber Ausgewogenheit und lustvolles Angehen beschränkt sich natürlich nicht nur aufs Essen. Ob beim Job, in der Liebe, Blumen für die Auserwählte besorgen, Kinder machen und erziehen, Kochen, Sport, überall gilt: Mach es gerne, mit strahlenden Augen, dann machst Du es besser. Ebenfalls hilfreich, mein Aufräumen von Ernährungs-Mythen:
Entgiften mittels Saftkuren: Wovon entgiften, bitte? Unser Körper entgiftet sich täglich selbst. Leber und Nieren übernehmen das. Also besser, diesen beiden Organen Gutes tun, dem ganzen Organismus. Gut essen, nicht rauchen, genug schlafen, Stress vermeiden, Sport.
Böse Kohlehydrate: Alle Pfanzen sind Kohlehydratquellen. Also sind alle Gemüse, Früchte, Vollkorn-Produkte, Nüsse, Hülsenfrüchte böse? Eine böse Überraschung erlebt, wer solche Dinge NICHT auf seinem Teller hat.
Sich toll und voll (fr)essen und das Übergewicht wieder wegtrainieren: Funktioniert fast nie. Einfacher ist, den starken Willen gegen verführerische Kalorien einzusetzen, die uns modernes Marketing schmackhaft machen will, denn in teuren Gyms.
Superfoods sind die magische Lösung: Was für ein Mist. Kein einzelnes Lebensmittel ist verantwortlich für einen massgeblichen Gesundheits- oder Wohlfühleffekt. Ist die Ernährung top, liegen die Vorzüge davon nicht an einem Einzelprodukt. Und ist sie katastrophal, hilft ein einzelnes Lebensmittel genausowenig.
Iss Frühstück wie ein Kaiser, Lunch wie ein König, Dinner wie ein Bettler: Morgens habe ich kaum Hunger, also esse ich auch nichts. Vernünftigerweise isst man 5 Minuten vor dem Schlafengehen nicht noch 1 Kilo Käsefondue. Der Fokus auf die ausgewogene Ernährung (s. oben) in der passenden Quantität, ist massgeblich für das Wohlergehen, nicht Zeitpunkt und Anzahl der Mahlzeiten.
Ethnische Vorbehalte einmal aussen vor gelassen, was ist die wirkungsvollste Diät?
Das wissen wir nicht. Studien, die der EINEN exklusiven Diät die ultimative Wirkung beweisen, gibt es (noch) nicht. Für unsere Gesundheit ist es ein Mix aus Gemüse, Früchte, Vollkorn, Nüsse, Hülsenfrüchte, Samen und viel Wasser trinken. Das kann mit oder ohne Seafood sein. Mit oder ohne Fleisch, mit oder ohne Milchprodukte, mit oder ohne Eier. Viel Fett oder wenig.
Gluten sind schlecht für die Gesundheit, es scheint, jeder Zweite ist glutenintolerant:
Statistisch gesehen, hat 1% der Bevölkerung Zölliakie, medizinisch allergisch auf Gluten. etwa 9% fühlen sich unwohl nachdem Verzehr von Gluten. Da bleiben immer noch 90%, die absolut keine Problem mit dem versauen von Gluten aufweisen.
Bin ich nicht glutenintolerant und habe auch keine richtige Zölliakie, ist dann Brot schlecht für mich?
Nein.
Aber weisses Brot schon? Besser Vollkornbrot essen?
Es ist ein Riesenunterschied zwischen Vollkorn- und Weissbrot und sicher ist, Brot benötigt der Mensch nicht zum Überleben. Aber in einer ausgewogene Ernährung (s. oben) hat insbesondere Vollkornbrot immer einen Platz. Und ich denke, gutes Brot essen gehört zu den grossen Vergnügen auf dieser Welt. Esst es deswegen!
Viel Wasser trinken und kein Fett essen ist am effektivsten, um Gewicht zu verlieren.
Bullshit. Am besten ist frisches Gemüse, Obst, Hülsenfrüchte und Getreideprodukte, möglichst naturbelassen. Und alles andere, was man zu sich nimmt, während man die Tour de France absolviert.
Worauf soll man bei den Nährwert-Tabellen auf den Labels schauen, Fettgehalt, Kalorien per 100 Gramm oder Zuckergehalt?
Die für uns besten Lebensmittel haben keine Labels, weil sie aus bloss einer Zutat bestehen: Avocados, Mandeln, Brokkoli, Linsen, Blueberries etc.