Es gibt diese raren Momente im Leben, da weiss man auf der Stelle, es passt. Nichts anderes kommt mehr in Frage. Pure Neugierde trieb mich, in die Hausschuhe zu schlüpfen, die so einladend neben dem riesigen Bett standen. Sie sahen anders aus, als alle, die ich auf meinen unzähligen Reisen rund um den Globus, in Hotels angetroffen hatte. Eben genauso, wie Hausschuhe sein müssen. Stabil, superbequem, das richtige Mass an Flauschigkeit innendrin.
Ich hatte gerade im Hotel The Alpina in Gstaad eingecheckt. Am nächsten Tag hatte Martin Göschel (1 Michelin*, 18 GM Punkte), der sympathische Executive Chef, zum Küchenworkshop geladen. Thema: Foodwaste herunterschrauben, kreativ mit Resten kochen. Das Schlagwort ist maximal aktuell. Ein Drittel der weltweiten Nahrungsmittelproduktion landet im Müll. 1,3 Milliarden Tonnen! Im Hotel wird seit Jahren pennibelst und vorbildlich auf den ökologischen Fussabdruck geschaut. Nicht nur in der Küche, wo Verpackungsmaterial und Foodcontainer ausschliesslich aus kompostierbaren Materialien bestehen. Das Hotel erreichte nach einem aufwändigen, fünfjährigen Zertifizierungsprozess den Goldstandard von Earth-Check, die weltweit führende Gruppe für wissenschaftliches Benchmarking, Zertifizierung und Beratung im Bereich Reisen und Tourismus. Als bisher einziges Schweizer Unternehmen. Eine schwierige Gratwanderung, gerade für ein Resort im Luxusbereich. Die Gäste hier sind nicht bereit, auf üblichen Komfort aus Umweltbedenken zu verzichten.
Abends treffe ich Tim Weiland zum Dinner, den Direktor. Sind Hotels nicht 60 Stockwerkehoch, nehme ich prinzipiell die Treppen, anstatt Lifte. Auf dem letzten Treppenabsatz realisiere ich, meine Füsse stecken noch immer in den fabulösen Hausschuhen. Zum Jacketetwas unpassend, also nochmals hinauf. Von Tim erfahre ich alles über die tägliche Herausforderung hier, die höchsten Nachhaltigkeits-Standards einzuhalten, ohne die hohen Komfort-Erwartungen der Gäste zu schmälern. «Unser Küchenchef Martin Göschel hat mit der Einführung der Zero-Waste-Philosophie neues Leben in unser kulinarisches Angebot gebracht. In seiner Küche landet fast nichts im Müll, nicht einmal welker Salat – daraus wird ein erfrischendes Pesto gemacht. Das neue Rezept der Zero Waste Pasta benutzt beim Frühstück übrig gebliebenes Roggenbrot, für die Herstellung hausgemachter Casarecce Pasta, während die Zero Waste Pizza die gleichen Zutaten und Prinzipien aufgreift, allerdings bei der Herstellung eines Pizzateigs. Aus Resten beim Fische filetieren wird eine Fischfarce hergestellt, damit werden sogenannte Crêpes di Pane gefüllt, deren Mehl ebenfalls aus hart gewordenem Brot fein gemahlen wird. Dazu gibt es ein grasgrünes Pesto aus Karottengrün, selbst die Fischhaut wird gebraten und endet als knuspriger Kontrapunkt auf dem Teller (Rezepte unten).
Am nächsten Morgen geht’s – in Schutzkleidung eingepackt – zuerst zu den hauseigenen Bienenvölkern. Der von 5 Bienenstöcken auf dem Hotelgelände produzierte Honig wird in der Küche für verschiedene Gerichte und auf dem Frühstücksbuffet verwendet. Imker Stefan Neuhaus will uns eine Königin zeigen, die scheint aber gerade aufgefressen zu sein. Monarchinnen leben gefährlich, da wusste Marie-Antoinette schon ein Lied davon zu singen. Danach ab in die Küche. Martin Göschel erklärt uns die Rezepte, die Zutaten liegen schon bereit. Nach 1 Stunde lassen wir uns den Foodwaste-Lunch schmecken, natürlich noch einmal so gut, weil selbst Hände angelegt.
Erstaunlich, wie das Haus den Spagat zwischen Luxus und bodenständiger Nachhaltigkeit schafft. Klar, hier wird auch Blauflossen-Thunfisch serviert, aber aus Zuchtbeständen. Möglichst viel wird lokal beschafft, das Hotel wird von der Holzschnitzel-Zentrale in Saanen mit Fernwärme versorgt.
Zufrieden lasse ich mich mit dem hoteleigenen Tesla zum Bahnhof chauffieren, ungern verlasse ich das nachhaltigste 5***** Hotel der Schweiz. Im Gepäck die Hausschuhe, leider nur ein Paar. Ich werde dem Hoteldirektor mein Kochbuch schicken, als Tauschobjekt. Meine Liebste braucht ein eigenes Paar, sonst sehe ich meine nie mehr…
Food Waste- und Bienen-Workshops nur für Hotelgäste und auf Anfrage.
https://www.thealpinagstaad.ch/de
Rezepte:
Crêpes di Pane
Zutaten für 10 Crêpes:
100 g altes Sauerteigbrot, (ohne Rinde)
100 g Weissmehl
4 Eier
300 ml Milch
Je 1 Prise Salz, gemahlener Safran
50 g Butter
Zubereitung:
Butter schmelzen und in einer Schüssel mit allen anderen Zutaten gut verrühren.
Bratpfanne einbuttern und jeweils eine kleine Kelle Teig zu Crêpes backen, einmal wenden. Abkühlen lassen.
Fischfarce:
Zutaten:
200 g Fischabschnitte (Reste vom Filetieren)
150 ml Vollrahm
Je 1 Prise Salz, Cayennepfeffer
1 Eiweiss
Zubereitung:
Fischfleisch grob hacken und mit dem Rahm verrühren. Für 5 Minuten in den Tiefkühler stellen. Mit dem Eiweiss in einem Blender zu einer homogenen Masse mixen, abschmecken.
Karottenblätter-Pesto
Zutaten:
30 g Karottengrün
20 g geschälte und geröstete Mandeln
30 g Parmesan, gerieben
20 g geröstete Pinienkerne
300 ml Leindotteröl
Salz
Zubereitung:
Karottengrün gut waschen und trocknen. Alle Zutaten im Mörser (oder Cutter) zu einer groben Paste zerstampfen. Abschmecken.
Fertigstellung:
Crêpes auf ein Stück (kompostierbare) Plastikfolie legen, mit Fischfarce bestreichen und mit Hilfe der Folie fest zusammenrollen und wie eine Wurst an den Enden festdrehen. Im Steamer bei 160° C 10 Minuten dämpfen. Herausnehmen und mit Karottengrün-Pesto und gebratener Fischhaut servieren, Dazu passen geschmorte Karotten ein gemischter Salat.