Einer besonderen Variante, Salat zu aromatisieren, stand ich lange skeptisch gegenüber. Der Vinaigrette. Zu sauer, zu zwiebelig, oft zuviel Senf und starker Knoblauchgeschmack. Bis ich in Manhattan auf Jody Williams und Rita Sodi traf, die im West Village drei entzückende Restaurants betreiben. Sie setzten mir einen grünen Salat vor, für mich noch immer DER Massstab. Blätter von Endivien, Kopfsalatherzen, Brunnenkresse und Frisée, aufgeschichtet so hoch, wie es die Gravitation gerade erlaubt. Dazwischen Tropfen und Rinnsale eines Dressings, durchsetzt mit Senfsamen und winzigen Schalottenwürfeln. Das alles schmeckte so wunderbar ausgewogen und kraftvoll, lange verdächtigte ich die Köchin, Zucker oder gar Glutamat hineingeschmuggelt zu haben. Hatte sie nicht. Damals fragte ich nicht nach dem Rezept, ein schwerer Fehler. Vor einigen Jahren stiess ich auf der Food-Seite der NY-Times darauf. Dieser aussergewöhnliche Blattsalat war auch noch anderen aufgefallen. Sein Geheimnis? Kaum zu glauben, aber das einmalige Aroma basiert auf etwas, das geschmackloser nicht sein könnte: Wasser. Und zwar dreimal. Zuerst, das Waschen der Blätter. In drei verschiedenen Temperaturbereichen. Zweitens, die Schalotten. Minutiös kleingehackt, baden sie in handwarmem Wasser für zwei Minuten. Das zähmt das Allium-Feuer, das Zwiebelgewächsen gerne entströmt. Wasser zum Dritten: direkt in die Vinaigrette. Was? Ein Salat-Dressing auch noch verwässern? Ein Sakrileg! Doch Williams relativiert: «Wir wollen die Sauce schmackhafter machen. Ein Esslöffel warmes Wasser bricht subtil die Säure des Sherryessigs. Die Sauce soll so herzhaft und lecker sein, Du möchtest am liebsten ein Glas davon trinken!»

Und sie hat so recht. Ich muss mich jedes Mal beherrschen, um diese Vinaigrette nicht in einem Zug auszutrinken. Und sie begleitet auch frische Spargeln, gar Huhn aus dem Ofen oder einen Fisch vom Grill. Danke, Jody Williams, bald werde ich dich wieder besuchen im ‘Via Carota’. Und auf Euren grünen Salat weinen.