Auf dem Tsukiji-Markt, dem grössten Fischmarkt der Welt, werden die Fische nach der Ikejime-Technik getötet. Heisst: Schnell, effizient und qualitätssichernd.
Ja, dieser Text handelt vom Töten. Was uns mit einem leichten Schaudern erfasst, begleitet uns Menschen von jeher. Im alltäglichen Kampf um Ressourcen wird das Gewissen zweitrangig. Gestorben wird für Nahrung, Öl, Land oder Glauben, und die Killer, die sind wir alle. Priester wie Veganer, Kinder wie Greise. Keiner kann seine Hände ganz reinwaschen.
Der Level an Barbarei lässt sich nur durch die Tötungsmethoden etwas senken, eine davon, ausschliesslich für Fische anzuwenden, heisst Ikejime, und diese demonstriert uns Herr Yamamoto auf dem Tsukiji-Markt in Tokio, dem grössten Fischmarkt der Welt. Der silbern gestreifte Barsch liegt so ruhig und friedlich auf der feuchtglänzenden Holzplatte, als hätte er sich selber dort hingelegt. Seiji Yamamoto, 3-Michelin-Sterne-Koch, streift mit seiner linken Hand zärtlich über den glänzenden Leib, während seine Rechte nach einem Deba tastet, einem japanischen Messer, geschmiedet, um Fische möglichst rasch in einen sinnvollen Tod zu befördern. Sinnvoll heisst hier, die grandiose Qualität des Tieres möglichst unbeschadet auf den Teller zu bringen.
In drei Schritten zum Eiswasser
Dass gerade die Japaner die – korrekt ausgeführt – humanste aller Fisch-Tötungsmethode entwickelten, hat aber kaum etwas mit glühender Tierliebe zu tun. Im Umgang mit Meeresbewohnern gelten sie gemeinhin nicht als Speerspitze des Tierschutzes. Aber sie wissen, ein qualvoller, langsamer Tod, wie durch Ersticken im Netz oder mittels amateurhafter Schläge auf den Kopf, schädigt das Fleisch der Fische durch den ausgelösten Stress unwiderbringlich.
Chef Yamamoto sticht nun mit der Messerspitze schnell und entschlossen durch den sogenannten Soft Spot, über den Augen des Barsches gelegen, in sein Gehirn, der Fisch ist augenblicklich tot. „Ich denke dabei an die Zeit der Kirschblüte, das lässt Aufregung bei mir gar nicht erst aufkommen. Diese würde sich nämlich auf den Fisch übertragen und ihn unruhig machen. Dann kann ich den Stich nicht wunschgemäss anbringen“. Ich staune über soviel Rücksichtsnahme. Somit ist das erste der drei Ziele der Ike-Jime Technik erfüllt: Den Fisch rasch und mit grösstmöglichem Respekt zu töten. Der berühmte Koch klappt nun die Kiemen des Fische zurück und durchtrennt mit einem entschlossenen Schnitt Rückenmark und Blutbahnen. Ein dritter Schnitt, kurz vor dem Schwanz, ohne diesen ganz abzutrennen, ebnet den Weg zum zweiten Ziel: Die Nervensignale, die vom Rückenmark in die Muskelmasse ausgehen, sollen gar nicht mehr erst entstehen und dazu stösst er nun ein Stück festen Draht von hinten in das Ende des Rückenmarkkanals. Das stoppt die Aktivität der Muskeln augenblicklich. Sie können sich kein letztes Mal zusammenziehen, die Totenstarre des Tieres wird hinausgezögert. Schlussendlich soll der Fisch gründlich ausbluten können. In Eiswasser gelegt, pumpt sein Herz noch minutenlang das Blut aus den Bahnen. Im Fischkörper verbleibendes und sich zersetzendes Blut ist verantwortlich für fischigen und tranigen Geschmack. Der mag ein Highlight für Eskimos sein, bei uns ist er unerwünscht.
Perfekter Bis und Saftigkeit
Ich komme nun in den Genuss einer aussergewöhnlichen Degustation von Sashimi, also alles roh. Filets von kleinen Zackenbarschen, nach Ike-Jime-Art getötet, in verschiedenen Reifestadien, zwei Stunden, sechs Stunden, einen Tag nach ihrem letzten Flossenschlag; vor und nach der Totenstarre. Zum Vergleich gibt es Fische auf herkömmliche Weise geschlachtet, mit und ohne Ausbluten. Mit erstaunlichem Resultat: Das Fleisch der Fische, getötet nach westlicher Art mit einem gezielten Schlag auf den Kopf, ohne Ausbluten, ist fast etwas schwammig und leicht mehlig. Und was ihn am meisten degradiert, mit einem metallischen Unterton im Geschmack. Der nächste, ebenfalls herkömmlich getötet, aber ausgeblutet, ist besser, fester, mit sauberem, frischem Fischgeschmack. Dann die Ike-Jime Filets, knackig-fest, perfekter Biss und Saftigkeit, der Geruch des Ozeans und frisch geernteter Algen vereinigt sich zu diesem schwer zu beschreibenden Geschmack von allerfrischestem Fisch. Ich bin fest davon überzeugt, dass sich die Ike-Jime Methode früher oder später auch bei uns verbreiten wird. In Europa sind es erst eine Handvoll Spitzenköche, die darauf schwören, einer von ihnen ist Heinz Reitbauer, der das ‚Steirereck‘ im Wiener Stadtpark in die kulinarische Stratosphäre gekocht hat. Klar, Fische nach Ike-Jime zu töten, ist aufwändig und kostspieliger, umsomehr die Tiere 24 Stunden vor ihrem Ableben – fern jeglichem Stress – einzeln in kleinen Becken gehalten werden. Doch wer sonst als wir in der Schweiz können und sollten uns das leisten, der Humanität und der Qualität zuliebe?
Fragen Sie Ihren Fischhändler, wie die Tiere getötet wurden. Immer mehr Fische beendeten auf diese Weise ihre Leben. Oft kann man noch die Einstichstelle über den Augen erkennen.