Neue Monate braucht das Land! Veganuary, Dry January, Red January (hat etwas mit Charity zu tun). Beschränkungen allenthalben. Da warte ich nur darauf, dass mir die kulinarischen Spassbremsen auch noch meine heiligen 3S (Sex, Siesta, Sport) madig machen. Nein, Dry ist nichts für mich. Verzicht ist eine Zier, doch weiter komm ich ohne ihr. Einen Monat lang Welt und Leber retten, um dann bis Ende Jahr beides wieder an die Wand fressen und saufen, das ist gerade schwer in Mode. Die selbsternannten Jünger des Verzichtes beruhigen damit während den restlichen elf Monaten ihr schlechtes Gewissen, bei ihrem täglichen Kotelett und der Flasche Wein. Doch Essen soll in einem viel grösseren Zusammenhang gesehen werden. Der Konsum tierischer Produkte muss dauerhaft über das ganze Jahr hindurch reduziert werden und auch über den eng begrenzten Avocado/Tofu-Horizont hinaus, abgesteckt durch die mangelnde Koch-Kreativität vieler Teilzeit-Planetenretter. Denn diese beliebten Produkte gehören zu den schlimmsten Ressourcenkillern überhaupt.
In meiner Küche hat Fleisch seit jeher höchstens einmal wöchentlich einen Auftritt. Auch ohne Veganuary. Zum einen der einfachen Verhältnisse im Elternhaus geschuldet, aber mehr noch, meiner Liebe zu Pasta. Ich esse sie jeden Tag. Und um diese geht es hier. Genauer gesagt, um die wichtigste Zutat: Das Kochwasser. Von den allermeisten gedankenlos weggeschüttet, macht es den Unterschied zwischen einer akzeptablen und der grandiosen Pasta. Die im Wasser gelöste Weizenstärke und die Mineralien, zusammen mit dem hineingegebenen Salz, geben uns eine gastronomische Wunderwaffe in die Hand. In meinen Kochanfängen wunderte ich mich in Italien immer wieder über die perfekte Schlotzigkeit der Pasta dort, dieser einer Emulsion nicht unähnlichen Verbundenheit von Sugo und Teigwaren-Oberfläche, nur möglich gemacht durch die Beigabe des stärkehaltigen Kochwassers. Seither ist diese magische Flüssigkeit sakrosankt für mich. Man munkelt, die Weih- und Taufbecken in italienischen Kirchen sind mit Pastawasser gefüllt, damit die gottesfürchtigen Schäflein schon von Kindsbeinen auf den richtigen Weg hin zur Pasta buono geführt werden. Jesus soll am Hochzeitfest von Kana Wasser in Wein verwandelt haben, als der während der Afterparty ausging? Ach was, die Gäste waren alle so sturzbetrunken, die fielen auf das Pastawasser in den Krügen herein. Der Pfarrer unserer Gemeinde sagte Njet, als ich meine Kids damals mit Pastawasser getauft haben wollte. Gut, vielleicht war eher meine fehlende Mitgliedschaft im Bubengrabscher-Verein verantwortlich für den abschlägigen Bescheid des Kirchenmannes.
Dass dann daheim trotz der Wasserzugabe nicht ganz dieselbe, sämige Verbindung von Sauce und Pasta wie in der Trattoria entsteht, hat einen einfachen Grund. Im Restaurant sprudelt leise ein grosser Topf mit Salzwasser auf dem Herd, stundenlang, und darin werden die Körbe mit den Teigwaren versenkt. Schon nach wenigen Kochvorgängen ist das Wasser mit der glutenhaltigen Weizenstärke hochgesättigt. Also noch mehr Klebstoff, für die magische Pasta/Sugo-Liaison.
Das ausgediente Kochwasser verwende ich auch für Suppen und Saucen, überall dort, wo eine Geschmackstiefe erwünscht ist, die normales Leitungswasser nicht liefern kann. Auch Zimmerpflanzen schätzen den (abgekühlten) Flüssigdünger. Und es soll Menschen geben, die baden ihre Füsse darin oder waschen ihre Haare damit. Bestimmt von grossem Nutzen, glaubt man fest daran.
Um den Geschirraufwand nicht zu übertreiben, habe ich den Abgiessvorgang folgendermassen perfektioniert: Die Pastateller stelle ich gestapelt in den Ausguss, zuoberst das Sieb. Beim Abgiessen verfängt ausreichend Pastawasser in den Tellern, dadurch sind sie auch gleich vorgewärmt. Pro zwei Portionen Pasta reicht eine kleine Schöpfkelle voll in den Sugo. Die Pasta noch eine Minute bei moderater Hitze darin schwenken, bis sie die zusätzliche Flüssigkeit aufgenommen hat, fertig.
Und warum gerade der Januar mein Pastanuary ist? Dann finden sich alle die wunderbaren Wintergemüse, die so lecker mit Pasta harmonieren. Puntarelleherzen und die ersten kleinen, zarten Artischocken, beides kann fein gescheibelt sogar roh gegessen werden. Oder Cima di Rapa, Barba di Frate, Friarelli, dann die langen Blätter des Puntarelle, und selbst Mangold und Kale, alles unverschämt gut mit Pasta. Und sie lassen Avocados und Tofu als die kulinarischen Langeweiler dastehen, die sie auch sind.
Richard Kägi ist Foodscout und Autor. In seinem Kochbuch «Kägi kocht» und auf seinem Blog richardkaegi.ch finden sich unzählige Pastarezepte mit Gemüse.