Was das Aromat für die Kulinarik, ist die Sünde für das Leben. Jeder greift dann und wann danach, zugeben wills keiner so richtig, und wirklich schaden tut beides nicht. Auch die Anzahl der dagegen erhobenen Mahnfinger sind etwa gleich zahllos. Hier geht es auch nicht um die Kumulation von beidem. Nicht nur, weil ich es leid bin, gegen Zwiebelhäcksler, Rahm und Speck für die Carbonara, vegane Ersatzprodukte, oder Trüffelöl anzuschreiben. Soll doch jede essen, was sie/es/er will. Auch im eigenen Leben schaffte man es nicht immer, die Klippen der anspruchsvollen Kulinarik elegant und ohne Kratzer zu umschiffen. Ich versalze heute noch dann und wann mein Pastawasser, pochiere meine Eier zu lange und futtere meine tägliche Tüte Chips (zumindest handgebackene Burts aus England und auch nicht vor dem TV).
Nein, dieser Text handelt auch nicht von Sünden, sondern über ein Verbrechen. Foie gras. Die künstlich vergrösserte Leber von gestopften Enten und Gänsen. Beziehungsweise das Zubereiten und Essen dieser vermeintlichen Luxus-Produkte.
Die Fettleber ist per se nichts Aussergewöhnliches bei Wassergeflügel. Die Tiere speichern darin Energie für ihre langen, saisonalen Migrationsflüge. Da fressen sie sich die Leber von 120 Gramm Normalgewicht auf 350 Gramm hoch. Das reicht für die langen Flüge in den Süden. Und vor allem – sie tun das freiwillig. Bei der Zwangsernährung wird ihnen mittels eines langen, biegsamen Schlauchs durch die Speiseröhre Maisbrei, mit Schweineschmalz versetzt, direkt in den Magen gepumpt. Die Leber schwillt innert etwa 15 Tagen auf 1.5 Kilo an. So stark, dass sie die anderen Organe zusammendrückt. Das und die Gavage genannte Stopfung lässt die Tiere apathisch werden. Sie würden qualvoll sterben, ihre Schlachtung muss wie eine Erlösung davon sein.
Ja, sie schmeckt gut, die Foie gras. Sie passt zu allem, zu Salzigem wie zu Süssem, aber auch nur für sich allein. Sie schmilzt wie Eis im Mund, der hohe Fettgehalt lässt die entsprechenden Rezeptoren auf der Zunge tanzen vor Freude. Wenn man ihre Entstehung ausblenden kann. Sie war das pervertierte Aushängeschild von gastronomischer Ausschweifung. Für die meisten aufgrund des hohen Preises oder seltenem Antreffen unerreichbar und vermutlich gerade darum Objekt der Begierde. Und sie ist es noch immer. Leider.
Ihre Produktion ist in der Schweiz seit 40 Jahren verboten, darum wird alles importiert, hauptsächlich aus Frankreich. Um nicht um den EU-weiten Bannstrahl des Herstellungsverbotes zu fallen, erklärten die findigen Franzosen ihre Tierquälerei flugs zum nationalen Kulturerbe und stopfen gnadenlos weiter.
Sie ist nicht wegzukriegen, selbst von den Menüs bei Köchen der jungen und aufgeschlossenen Generation, deren Nachhaltigkeits-Credo wohl bei Stängelkohl und Naturweinen stehen bleibt. Kaum ein besternter oder mit hoher Punktezahl ausgestatteter Koch in der Schweiz verzichtet darauf. Schon gar nicht in Orten, die sich dem (Fress)Tourismus des Geldadels verkauft, pardon, verschrieben haben. Selbst anerkannte Testesser und Kulinarik-Schreiber futtern Foie gras weg wie Sauerteigbrot. Und erwähnen das auch noch. In meiner Foodscout-Zeit bei Globus nahm ich mehrere Anläufe, das Angebot einzuschränken oder gar zu unterbinden. Die Verantwortlichen – nicht nur im Verkauf – meinten, damit säge ich an unseren allen Ästen. Vor allem an meinem. Und die welsche Fraktion aus Genf und Lausanne drohte mir intern sehr direkt mit Konsequenzen für mein weiteres Anstellungsverhältnis.
Die Importeure und Händler verstecken sich hinter Gelaber über Bio, zertifizierte Betriebe, Freilandhaltung. Alles Mist. Ich habe kürzlich solche Produktionen besucht. Es schleckt keine Gans weg: Kein Tier frisst sich freiwillig quasi zu Tode.
Sieht man das mit eigenen Augen, will man diese Produkte nicht mehr essen. Ich mochte und mag Geschmack und Textur, versteckte meine Lust darauf auch hinter beruflichen Gründen. Irgendwann war auch bei mir Schluss. Und es geht sehr gut ohne, liebe Köche in der Schweiz.
Politische Vorstösse für ein Importverbot scheiterten bisher, kürzlich sprach sich sogar der Bundesrat gegen eine entsprechende Motion aus. Die Macht und der Wille liegen alleine beim Konsumenten.
Richi Kägi ist Autor und Foodscout. Er verurteilt niemanden, der isst, was er gerne isst. Solange man sich mit Herz und Verstand damit auseinandersetzt. richardkaegi.ch