Die Gastronomie besinnt sich gerade wieder auf Altbewährtes. Zum Missfallen von Foodscout Richard Kägi, der die Kocherei der Vorfahren zu Unrecht gerühmt findet. Ausser die Rösti, die kocht er selbst bis heute nach Grossmutters Rezept.
Kochen ist ja gerade schwer in Mode. Muss es auch, die Beizen sind zugesperrt. Take-away ist schrecklich, ausser es wird gleich dort gegessen, wo es aus der Küche dampft. Lieferdienste, das geht noch weniger, ausser vielleicht für eine Suppe oder ein Curry. Solches Essen wird sogar noch besser, wenn man es zu Hause wieder aufwärmt. Selbst Hipsterköche und trendige Gastro-Quereinsteiger legen ihre popeligen Bunsenbrenner zur Seite und tauschen ihre Mikro-Pinzetten gegen altehrwürdige Suppenkellen und Eisenpfannen. Anstatt geschäumt und aufgetürmt wird gehackt. Nämlich für Hackbraten, der schreit ja fast nach Aufwärmen.
«Wie früher bei der Grossmutter», diese Rückbesinnung wird in der kalten Jahreszeit zum Seelentröster. Nun, von der Herdhitze hin zum Tiefkühlfach: Ich schlittere gerade über sehr dünnes Eis mit der Behauptung, schlimmer ginge es nicht mehr als mit der zu Unrecht vielgerühmten Kocherei unserer Vorfahren. Das als Auszeichnung oft missverstandene Siegel, es werde gekocht wie bei der Grossmutter, lässt sich in Wahrheit als Kontrollverlust des kulinarischen Lebens eines Kochs verstehen. Eine gastrosophische Trainerhose sozusagen.
Rösti als Gradmesser der Kochkunst
Mit Mehl und Zucker aufgepeppte Saucen, nicht abgeschmeckt, wässerige, triste Suppen. Zermantschtes, fades Gemüse. Bleich und trocken gegartes Geflügel, öde Reis-Teller und trostlose Kuchen, die immer ein wenig aussahen, als seien sie auf den Boden gefallen und hastig wieder in Form geknautscht worden. Oft war ich als Kind gezwungen, beim Büttiker Walti, einem Schulkollegen, zu Mittag zu essen. Meine Mama arbeitete. Seine zwar auch, aber die Grossmutter schaute zum Rechten, und da war auch noch der Urgrossvater, ein mürrischer, hundert Jahre alter Greis. Der hatte wohl viele Nachkommen, aber unehelich und nicht nur mit einer Frau. Das fand ich damals schon spannend. Er hatte Angst vor der Ehe, es sei besser, keine Frau zu heiraten, die er eines Tages am liebsten ermorden würde. Seinen Erzählungen lauschend, ertrug ich auch seinen Gestank. Seine Winde, ausgelöst durch Blähungen von beinahe biblischem Ausmass, verpesteten ununterbrochen die Luft in dem kleinen Häuschen, in dem sich der Alte an sein Elend klammerte und seine verbitterte Tochter sich an ihn. Und so kochte sie auch. Verbittert und lustlos. Ausser sie machte Rösti. Was die Hexe aus den knubbeligen Knollen zauberte, blubbert als einziger erinnerungswürdiger Gedanke an Oma-Küche noch immer in meinem Herzen. Der Fladen aus geriebenen Kartoffeln war das Arme-Leute-Essen schlechthin. Erfunden im ländlichen Umfeld – mit dem Aufkommen der Kartoffeln gegen Ende des 17. Jahrhunderts hatten die Bauern damit die ideale Ergänzung zum Speck der Schweine gefunden – ist es noch heute Gradmesser eines jeden Kochenden.
Die richtige Knolle muss es sein
Doch wie immer bei den einfachsten Speisen steckt der Teufel im Detail. Die epische Frage: gekochte oder rohe Erdäpfel als Basis? Kein noch so rasend schneller Quantencomputer konnte sie bisher eindeutig beantworten. Auch sonst zeigt sich Helvetiens Nationalgericht von der sensiblen Seite: Die richtige Knolle muss es sein. Leicht mehlig kochend für die Version aus mindestens 24 Stunden vorher in der Schale al dente gegarten Kartoffeln.
Festkochend für die populärere (Stichwort Spontanität!) Rösti aus rohen. Dem Kochgefäss wird eine überhöhte Bedeutung zugesprochen. Je feiner der Belag darin, desto weniger bleiben die Kartoffelspäne darauf kleben. Moderne, beschichtete Pfannen eignen sich genauso wie klassische Eisenpfannen. Bei Gusseisen-Brätern, mit ihren porösen Oberflächen, da wird es anspruchsvoll beim Wenden. Es klebt.
Rösti gibt es bei mir oft. Nie als Beilage, sie verdient es, im Mittelpunkt zu glänzen. Vor viel Butter natürlich. Ich koche sie so, wie dazumal Oma Büttiker. Dazu die Erdäpfel, z. B. Granola, Sirtema oder Urgenta, einen oder auch mehrere Tage zuvor bissfest kochen. Danach müssen sie im Kühlschrank trocknen. Mit der Schale in daumenlange Späne hobeln, kräftig mit Salz, weissem Pfeffer und Thymianblättchen würzen. Etwas Muskat ist nie verkehrt.
Die Wendetechnik: viel Butter
Ich schneide Guanciale oder Bauchspeck in Streifen und lasse auf kleiner Flamme das Fett aus. Die knusprigen Streifen mische ich mit den Kartoffeln, zum Schweinefett lasse ich noch ein mächtiges Stück geklärte Butter gleiten. Ist sie geschmolzen, kippe ich die gehobelten Knollen auf einmal hinein. Jetzt auf keinen Fall umrühren, sondern mit dem Spatel leicht drückend einen Kuchen formen, ringsum vom Pfannenrand separieren, es erleichtert das Wenden. Nun den Deckel darauf und etwa 20 Minuten auf schwacher Hitze braten lassen.
Die Wendetechnik ist abhängig von der Buttermenge. Wer seine Rösti umdrehen kann, indem er sie in die Luft schwingt, ohne seine ganze Küche zu versauen, nahm zu wenig, gibt sie dem Schulfreund seiner Kinder und fängt nochmals von vorne an. Meine Methode ist idiotensicher. Zwei Butterstücke, ein sehr grosses und ein grosses, zurechtschneiden. Den Deckel abnehmen, das grosse Butterstück darauf schmelzen lassen, wieder aufsetzen und Pfanne umdrehen.
Das sehr grosse Butterstück in die nun leere Pfanne geben und den Fladen vom Deckel hineingleiten lassen. Ohne Deckel etwa 10 Minuten knusprig braten, heiss ist sie innen schon, was wir noch wollen, ist eine goldgelbe Kruste. Der Duft, der sich in Ihrer Küche ausbreitet, würde Oma Büttiker ein Lächeln in ihr griesgrämiges Gesicht zaubern.