Dies ist eine Geschichte über eine grosse Liebe, über den Schmerz, über das Glück, alleine zu essen, und über die Zuversicht.
Zügig senkt sich die Dunkelheit auf das Meer hinab, sie verschluckt nicht nur die letzten Strahlen des Sonnenuntergangs, es scheint, als dämpfe sie auch das Rauschen der Wellen. Als würde sie mir zuflüstern: „Iss, mein Lieber, schau auf Deinen Teller, auf das Meer blicken kannst Du morgen wieder“. Ich sitze an einem winzigen Tischchen, akkurat gedeckt, vor mir einige Meter kiesiger Strand und die Brandung, hinter mir das Clandestino, mehr Bretterbude als Restaurant. Das erste Mal kam ich vor siebzehn Jahren hierher, an diese Küste entlang dem Monte Conero, Ancona’s Hausberg. Das einfache Lokal war damals von Moreno Cedroni – einer der besten Köche Italiens – nur für einen Sommer geplant. Es steht immer noch dort, wurde gar zur Institution. Die höchst kreative Meeresküche, das für einen unheilbaren Romantiker wie mich unschlagbare Setting, der perfekte Service, sie machen eine Reservation zum Geduldsspiel. Darum frage ich in solch angesagten Lokalen immer nach einem Tisch für zwei. Auch wenn ich allein bin. Sonst sinkt die Chance auf einen Platz noch weiter. Die wenigen Plätze wollen alle besetzt sein, verständlicherweise. Eine Ausrede, dann doch nicht zu zweit aufzutauchen, ist immer gefunden.
Die Moscioli, eine nur in dieser Bucht lebende Spielart der Miesmuschel, schmecken hervorragend. Die Blicke der anderen Gäste, sie machen mir schon lange nichts mehr aus. Allein im Restaurant, für die Allermeisten noch immer ein Sakrileg, das passte dreissig Jahre zu meinem unsteten Foodscout-Leben. Die Blicke schwanken zwischen Mitleid, Verwunderung und Neid. Letzteren bemerke ich vor allem von Paaren, die sich stumm und fast leblos an ihre Tische und mehr noch an ihre Erinnerungen an aufregendere, glücklichere Zeiten klammern. Die Vorteile des Dinner for one sind offensichtlich: Fokussierung darauf, was mir hingestellt wird. Die Auseinandersetzung mit dem Essen ist nicht dieselbe, wenn ich mit der Liebsten am Tisch sitze. Dann gehört meine ganze Aufmerksamkeit ihr, die professionelle Sicht auf die Kreationen des Kochs wird unmöglich. Oft erlebe ich allein eine Sonderbehandlung durch das Personal. Ist es, weil meine Fragen und Kommentare geschätzt werden? Ist leises Erbarmen im Spiel? Machen sie mich als verdeckten Tester aus, da mein Notizbuch als treuer Begleiter immer dabei ist? Ich frage nie. Die Liebe dafür, was ich mache, wie ich es mache, gibt mir Sicherheit.
Mein Blick, meine Gedanken schweifen über die dunklen Wellen. Dramatische Ereignisse liegen hinter mir, die mein Leben in neue Bahnen zwingen. Die Pandemie überstand ich schad- und klaglos, anderes nicht. Werde ich weniger reisen, weniger allein essen in Zukunft? Dafür spricht mein rasches und unfreiwilliges Ende der langen Ära bei meinem ehemaligen Arbeitgeber. Nicht zuletzt mein feministisch motivierter Instagram-Beitrag über lächerlich wenig Frauen-Power in den Geschäftsleitungen von Migros, Globus und bei Signa, dem neuen Globus-Besitzer, brachte das Fass zum Überlaufen. Das war den Herren in der Teppich-Etage dann doch etwas zuviel Öffentlichkeitsarbeit. Doch Groll ist fehl am Platz, es waren grossartige dreissig Jahre. Und ich verstand den Entscheid, als unbequemer, ständig alles hinterfragender Mitarbeiter, der ich zeitlebens war. Es musste irgendwann so kommen. Und ja, vielleicht habe ich es auch provoziert. Mit der Strategie des neuen Besitzers stand ich von Beginn weg auf Kriegsfuss. Aber neue, spannende Opportunitäten tun sich auf, langweilig wird mir nicht.
Als letzter Gast verlasse ich Lokal und Meer, fahre das steile Strässchen hoch, ein trockener, flirrend heisser Wind weht das Rauschen der Wellen durch die Nacht. Meine Spotify Playlist spielt Laissez-moi danser, laissez-moi, von Ibrahim Maalouf, die berührende Hymne über Freiheit und Loslassen, über das Glück und über den abgrundtiefen Schmerz, wenn der Tod uns einen geliebten Menschen entreisst, und was das mit uns macht. Ich halte an, blicke auf das Meer hinunter, es schimmert silberübergossen im Mondlicht.
Schlafen, Essen, Schwimmen am Monte Conero:
Übernachten:
Hotel Emilia
Das Pendant zum Hotel Castell in Zuoz. Auch wenn die Kunst im Hotel nicht so glamourös und der Service nicht so perfekt ist wie bei den Müllers in Zuoz, es ist die beste Wahl am Monte Conero. Tolle Lage, sehr ruhig.
Hotel Monte Conero
Auf dem Hügel gelegen, ein ehemaliges Benediktiner-Kloster. Einfache Zimmer, der Luxus ist die Lage.
Locanda Rocco
Neues Boutique-Hotel in Sirolo. Nur wenige Zimmer, mit exzellentem Restaurant. Frühzeitig buchen!
Essen:
https://www.locandarocco.it/ristorante-sirolo
https://www.ristorantecasarapisarda.it/
In der Altstadt von Numana:
Moderne, italienische Küche mit sehr lokalem Slow-Food Bezug, immer wieder mit bekannten Gastköchen.
Porto Novo
Clandestino
Restaurant in Porto Novo, 5 Min mit dem Auto oder auch zu Fuss vom Hotel Emilia.
Direkt am Meer, ein Konzept des Sternekochs Moreno Cedroni, ohne Reservation geht gar nichts..
Ristorante da Giacchetti
Perfekt für einen Tag am Meer und Lunch dazwischen. Sie haben einen eigenen Parklatz (Parkplätze sind rar in Porto Novo..) und eigene Liegstühle am Meer.
Ristorante Andreina
Etwas ausserhalb Numana. Macht fast alles auf dem Feuer. 1 * Michelin.
Senigallia
Madonnina del Pescatore (am Strand) und das Aniko im Städtchen drin.
Starkoch Moreno Cedroni bietet da grandiose Fischküche, 2 * Michelin.
Uliassi
Eines der besten Restaurants Italiens. Meeresküche geht fast nicht besser.
3* Michelin. Darum frühzeitig reservieren oder Glück für Lunch probieren.
L› angolino sul Mare
Einfaches Resti am Lido, perfekt für Lunch.
Einkaufen:
Azzurravini
Enoteca in Numana. Riesige Auswahl an Weinen aus den Marken und dem übrigen Italien.
Pasta und andere Spezialitäten, Fleischwaren und lokale Käse