Suchend tastet meine Hand unter den Algensträngen herum, mit ganz langsamen Bewegungen, gegen die Strömung natürlich. Meine Beute soll sich weiterhin in Sicherheit wiegen, unter ihrem grünen Versteck. Die fette Bachforelle hatte ihr Ende nur herausgezögert, als sie mir zuvor aus den Fingern glitt und wegflitzte wie ein abgeschossener Torpedo. Das Wasser ist eiskalt, es ist Februar, ich wate barfuss in der Eulach, unserem Dorfbach. Ich müsste längst die Schulbank drücken, doch das Jagdfieber siegt über den Stundenplan. Ich ertaste eine Schwanzflosse, meine geöffnete Hand streicht dem stromlinienförmigen Körper entlang, wie um ihn zu beruhigen. Der Fisch hält still, damit besiegelt er sein Schicksal. Knapp hinter den Kiemen schliesse ich meine Finger langsam um den schleimigen Körper, die Forelle ahnt Böses, will abhauen, aber es ist zu spät. Jetzt erst realisiere ich ihre Grösse, die Kinderhand reicht nicht, um sie ganz zu umfassen, beidhändig nun ziehe ich den wild zappelnden Kerl unter dem Algenteppich hervor. Ein Bild von Fisch, fast 2 Kilo schwer.
Damals, ich war Zehn oder Elf, hatte ich diese Fangmethode schon perfektioniert und trug damit meinen Anteil an der Proteinversorgung der Familie bei. Immer auf der Hut vor dem Dorfpolizisten. Heute steige ich nur noch zu Demozwecken in den Bach, die Enkel finden das grossartig. Aber nur wenn ich die Forellen wieder entschlüpfen lasse, nach dem Zugriff.
Natürlich kaufe auch ich Fisch beim Händler, und staune immer wieder, wie nachlässig mit Frischfisch umgegangen wird, hinter und vor der Theke. Und lange davor.
Aus meiner langen Erfahrung als kochender Fischliebhaber und Einkäufer schaue ich sorgenvoll auf folgende Zahlen: Über alle Spezies hinweg wird 50% eines Fisches gegessen, die andere Hälfte landet im Müll. Würden wir den verwertbaren Teil von Seafood auf 70% erhöhen, ergäbe das bei den 150 Mio Tonnen, die wir jährlich verspeisen, ein zusätzliches Potential von etwa 57 Mio Tonnen. Oder die entsprechende Menge weniger Fang, um unsere Meere nicht zu überfischen. Fisch ist die Hauptproteinquelle für über 1 Milliarde Menschen, leider operieren 30% der kommerziellen Fischer-Unternehmen im nicht nachhaltigen Bereich (nach UN Food & Agriculture Organization). Wollen wir, dass auch unsere Kinder noch Fisch zubereiten können? Dann müssen wir schleunigst unsere Sicht auf Handling nach dem Fang, Kauf, Lagerung und Zubereitung diesen Gegebenheiten anpassen.
Bis ein Fischfilet daheim in der Pfanne liegt, wurde es dutzendmal gewaschen, und dabei nicht mit Samthänden angefasst. Beim Ausnehmen, Schuppen, Filetieren, Sortieren, Verpacken, Umpacken. Wasser und unsensibles Handling verhindern, dass ein Fisch – je nach Spezies – auch nach 2 -3 Wochen nach dem Fang noch gegessen werden kann. Wie Fleisch entwickelt auch Fisch zusätzliche Aromakomponenten, lagert man ihn richtig. Und lässt ihn nicht andauernd in Eis und Wasser liegen. Der australische Koch und Fischhändler Josh Niland perfektioniert das Dry Aging von Fisch ständig weiter, in seinem neuen Buch ,Take One Fish – the new school of scate-to-tail’ verrät er auch seine wichtigsten Ratschläge zum Kauf und Lagerung.
Kauf keinen Fisch ohne Plan: Wieviele soll er satt machen und welche Kochmethode soll zur Anwendung kommen?
Wisse, worauf zu achten ist: Leuchtende, klare, hervorstehende Augen, kein bleibender Fingerabdruck auf fester, straffer Haut ohne Schnitte oder sonstiger Verletzungen, regelmässige, straff sitzende Schuppen und ein Geruch nach Ozean oder Algen. Filets sollen nie in wässerigem Eis liegen, sondern trocken und mit intakter Haut, das Fleisch glasig.
Stelle Fragen: Was ist gerade frisch angekommen und was würde der Fischhändler für sich selber kaufen?
Lass ihn die Arbeit machen: Verlangt die Zubereitung den Fisch filetiert, ausgenommen, entgrätet, geschuppt, oder enthäutet? Lass den Profi das erledigen.
Kauf die richtigen Teile: es muss nicht immer das Filet-Mittelstück sein oder der teuerste Fisch. Verlangt das Rezept gehackten Fisch, den Kopf/Nacken oder den Schwanz? Dann frage danach. Man nimmt auch kein Rindsfilet für die Lasagne!
Verlange Diversität: Haltest Du immer wieder vergeblich Ausschau nach einem bestimmten Fisch? Erkundige Dich danach. Das gibt dem Händler das Vertrauen, auch mehr als die 5 meistverlangten Fische in sein Sortiment zu nehmen.
Lass ihn Dir korrekt einpacken: Niemals in Plastik oder beschichtetem Papier. Darin entwickelt Fisch sehr rasch Ammoniak-Aromen, mit irreversiblen Folgen für den Geschmack. Normales Papier ist die beste Verpackung.
Zuhause: Ist der Fisch geschuppt und ausgenommen und soll er noch am selben Tag gegessen werden, den Fisch auspacken und auf auf ein Gitter legen, dieses auf einen passenden Teller oder Blech und in die Mitte des Kühlschrank stellen. Schon nach 2 Stunden ist die Haut trocken genug, damit sie richtig schön knusprig wird beim Braten. Der Fisch wird so auch nicht am Grill kleben bleiben. Keine Angst vor schlechten Gerüchen im Kühlschrank! Nur Fisch von minderer Qualität riecht ,nach Fisch›.
Soll der Fisch noch 2-3 Tage reifen und erst dann zubereitet werden, genau gleich verfahren wie oben, das Gitter mit dem Fisch darauf aber in die unterste Schublade stellen. Dort ist es etwas kühler und er wird dort dank höherer Luftfeuchtigkeit nicht so schnell austrocknen. Trotzdem verliert er dort von seiner sowieso nicht von uns gewollten Feuchtigkeit. Am Tag der Zubereitung noch einmal 2 Stunden in die Mitte des Kühlschranks stellen, zum Trocknen.
Fische nie waschen zuhause. Der leichte Ammoniak-Geruch, den Fisch in ihrer Verpackung entwickeln, lässt sich am besten mittels Abreiben durch Zitronensaft entfernen.
Fisch immer solange am Knochen lassen, bis man entscheidet, wie er zubereitet werden soll. Das verhindert zu rasches Austrocknen und verlangsamt auch Bakterienwuchs.
Die kapitale Bachforelle damals überlebte noch einige Tage in einem Bottich im Garten. Sie war gross genug, um uns als Sonntagsbraten den Tag zu verschönern.