Es ist ja gut jetzt. Ich kann es nicht mehr hören, nicht mehr lesen, keine News mehr darüber erfahren. Weil es keine gibt. Der Virus ist da, und wird uns noch lange begleiten, mit all seinen Unwägbarkeiten und Gefahren. Die ich für mich zur Seite schiebe. Oder eben, beiseite renne. Natürlich, auch ich bin weniger raus, habe viele Menschen nicht mehr getroffen, Freunde mit einer gewissen Rolle in meinem Leben. Doch Kids und Enkel und die paar engsten Kumpels und Freundinnen (die ich alle auch sonst nicht oft treffe) das wurde nicht weniger. Natürlich, mit (ein bisschen) mehr Abstand als sonst, aber ohne ständig das Metermaß hervorzukramen. Von meinem Wesen her, eher etwas menschenscheu, fällt mir Abstand halten nicht als lästige Pflicht auf, es passt gerade so, wie es ist. Doch in der Öffentlichkeit erlebe ich Absurdes: Kürzlich, beim Hinunterrennen vom Üetliberg, mühte sich eine ältere Dame den Berg hoch, ihre Arme in beiden Hüften, von dort je einen langen Stock waagrecht nach aussen balancierend. Distancing auf die brutale Art, aber für zwei Meter lange Stecken hat dann die Kraft der Frau doch nicht gereicht. Gelegentlich treffe ich im Wald Menschen, die mutterseelenallein mit einer Gesichtsmaske spazieren, haben sie Angst, eine Mücke zu schlucken? Oder diejenigen, die sich in die Büsche schlagen, hören oder sehen sie mich entgegenlaufen. Die haben wohl alle die faszinierende Computersimulation der NY Times geschaut, die darstellt, wie sich Partikel in der Atemluft hinter Joggern und Radrennfahrer verteilen. Dazu den Rat, mindestens zwanzig Meter Abstand zum Vorausfahrenden einzuhalten. Windschattenfahren war mal.
Daran lässt sich leicht ableiten, die Ängstlichkeit ist ungleich verteilt. Dabei sollten es doch gerade die Älteren unter uns sein, denen Gelassenheit eine Zier sein sollte. Die haben doch schon ganz andere Krisen durch- und überlebt. Sie haben erfahren, es ist doch immer wieder gut gegangen. Der jungen Generation, so ab Jahrgang 90, deren Krisenhorizont gerade mal die Finanzkrise erfasste (und die ihnen egal war, weil sie da sowieso keine Kohle hatten, die ihnen wegerodieren konnte), ihnen ist WC-Papier- und Raviolidosen-Hamstern eher nachzusehen. Und auch die Inbetriebnahme und Bestückung des uralten Tiefkühlers im Keller, den mal längst wegwerfen wollte, weil sein Stromhunger allein schon den Atommeiler im AKW Beznau leersaugt.
Ja, ich gebe zu, einerseits fühle ich eine kaum zu begründende Sicherheit, mich trifft es nicht. Warum auch ausgerechnet jetzt? Auf mich wurde schon geschossen, eingestochen und -geprügelt, meine damals noch junge Familie von Rockerbanden mit Vergewaltigung und Folter bedroht (alles während struben Zeiten als Nachtclub-Betreiber in Winterthur). In der Rekrutenschule hielt ich die Handgranate bis zwei Sekunden vor dem Blow-Up in der Hand, ich wollte die endgültige Entlassung provozieren (aber landete stattdessen ein Wochenende im Arrest). Eine seltene Autoimmunerkrankung in der Familie, die schon Mitglieder unter die Erde brachte, an mir aber vorbei ging. Diverse Motorrad-, Rennvelo- und Autounfälle hinterliessen zum Glück (Bestimmung?) nur Narben, und die Sache mit meinem Walfisch-Puls hätte wohl jeden anderen ins Grab verfrachtet. Eine Mischung aus Gelassenheit, Leichtsinn, bis hin zur Dummdreistigkeit? Die dafür das Kind im Kerl erhalten hat? Das wäre wohl alles zu kurz gefasst. Ich lege bloss seit jeher für mein Leben Alain Berset’s Lieblingsverslein mit viel mehr Hardcore aus: So schnell wie möglich, so langsam wie nötig.
Und trotzdem, Zufall ist es beileibe nicht, gerade das Laufen, und wie ich es durch alle Jahreszeiten und Temperaturen praktiziere, es wurde zur Basis für die Überzeugung, gesundheitlich auf einem felsenfesten Untergrund verwurzelt zu sein, und über ein fast unangreifbares Immunsystem zu gebieten. Bei minus achtzehn Grad frühmorgens in den Wald? Natürlich, und nur in kurzen Hosen. Immer. In den See springenDafür kenn ich Grippe nur vom Hörensagen, sogar Erkältungen kann ich an einer Hand abzählen, das ging bisher alles an mir vorbei. Bestimmt half jeweils auch mein Zaubertrank mit, Miraculix hätte mich adoptiert dafür. Hier, was es mit dem Gebräu auf sich hat und natürlich auch das Rezept: Der erste Schluck geht etwa so: Man zuckt zusammen. Schüttelt sich, schluckt. Wundert sich, wie augenblicklich gestärkt man sich fühlt. Was ist das Geheimnis dieses magischen Tranks? Traditionellerweise ein Erkältungsmittel, aber auch heilendes Tonic, hat es eine antibakterielle, entzündungshemmende und abschwellende Wirkung. Es hilft aber auch gegen Verdauungsbeschwerden und stärkt die Immunkraft, z.B. gegen die Grippe. Müssig zu erklären, dass eine Medizin, die sich gegen (fast) alles bewährt, kein Wässerchen für die allzu sensitive Zunge ist und auch etwas Mut voraussetzt, sich einige Schlucke davon zu gönnen. Bei ersten Anzeichen einer Erkältung 3 – 4 Esslöffel alle 4 Stunden, bis die Symptome wieder verschwinden. Wichtig ist auch die präventive Einnahme, wenn die feucht-kalte Jahreszeit naht. 1 Esslöffel pro Tag und wir gehen alle grippefrei durch den Winter. Sein Name Fire Cider hat den Ursprung in seinen Zutaten: Feuer für Meerrettich und Ingwerknollen, Jalapeno Chilis und Gelbwurz; Cider für die Apfelessig-Basis, in der sich alle die nützlichen Ingredienzien sammeln. Was gerade saisonal ist, kann einen speziellen Geschmack dazu beitragen, also gilt es auch mit Orangenschalen oder frischen Kräutern wie Rosmarin oder Thymian zu experimentieren, je nach Geschmack. Es gibt unzählige Versionen, doch das hier ist mein Favorit. Wenn immer möglich, nimm biologische Zutaten. Übrigens, zum Hexen verjagen taugt das Gebräu ebenfalls.
Zutaten:
1 Liter Apfelessig 200g Ingwer, ungeschält und frisch gerieben 200g Meerrettich, frisch gerieben 1 Zwiebel, grob gehackt 10 Knoblauchzehen 2 Jalapeno Chilis, grobgehackt 1 Zitrone, Saft davon und die Hälfte der fein abgeschnittenen Haut 1 Esslöffel Gelbwurz (Turmeric) 1/2 Teelöffel Cayennepfeffer 4 Zweige frischer Rosmarin 150g Honig (mehr oder weniger, je nach Geschmack)
Zubereitung:
Alle Zutaten – ausser dem Honig – in einem grossen Glas zusammenrühren. Ein Stück Back- oder Metzgerpapier zwischen Glas und Deckel klemmen, damit der Essig nicht mit dem Metall des Deckels in Berührung kommt. Das Glas an einem dunklen, kühlen Ort 1 Monat lagern, täglich schütteln. Nach einem Monat die Flüssigkeit durch ein feines Tuch in ein weiteres Glas leeren, dabei gut wie möglich die Zutaten im Tuch ausdrücken, um möglichst viel Extrakt zu erhalten. Die Hälfte des Honigs einrühren, bis er sich auflöst, dann gleich mit dem Resthonig verfahren. Der Honig sollte immer erst kurz vor der Verwendung eingerührt werden. Seine natürliche, antibakterielle Wirkung würde auch alle guten Bakterien killen, die wir im Glas wachsen lassen wollen und sein Zucker könnte eine Hefe-Gärung forcieren, anstatt die Bakterielle, welche wir hier erreichen wollen. Dieser Fire Cider kann auch zum Inhalieren verwendet werden, dabei mit kochendem Wasser mischen und mitsamt dem Kopf unter einem Tuch seine Wirkung verrichten lassen.
Ich selber nehme es nur präventiv oder beim leisesten Anflug einer Erkältung. Di hat dann keine Chance, sich in meiner Nase auszutoben. Den ultimativen Wirkungsbeweis zeigte das Höllengebräu aber bei einer guten Freundin, die aufgrund ihres geschwächten Immunsystems noch dem allerkleinsten Kälteeinbrüchlein sofort zum Opfer fiel und ihre Winter bisher vor allem im Bett verbrachte, und zwar nicht so, wie man es sich gemeinhin wünscht. Sei ich sie jedes Jahr mit einem genügenden Vorrat des Zaubertranks versorge, sind ihre Grippetage Geschichte.
Das Rezept fand ich einem spannenden Buch, das gerade jetzt in diesen Zeiten, seinen wahren Wert zeigt: „How to split Wood, shuck an Oysters & master other simple pleasures“. Weil, der nächste Weltuntergang, der kommt bestimmt!