Was den einen ihr Herz in Röcke und Hosen rutschen lässt wie ein Murgang nach tagelangem Regen, lässt andere schon seit Anfang Jahr in froher Erwartung jubilieren: Die Einladung zum Weihnachtsschmaus und die damit verbundenen Überlegungen, Entscheide und Vorbereitungen. Als erstes: Bin ich bereit, dem Aufwand, den Mühen und möglichen Ärgernissen, die tsunamigleich auf mich zurollen werden, mit einer gewissen Nonchalance und Coolness entgegenzutreten? Nur wer zu alldem Ja sagen kann, ist gefeit und minimiert damit die Risiken von Familienzwist, Selbstvorwürfen, und totaler Erschöpfung. Was in der Summe garantiert zu einer gesprengten Party führt.
Nun, ich koche gerne für meine Liebste und für mich selber, bekoche aber auch häufig Gäste. Nicht nur Familie und Freunde, sondern manchmal auch fremde Menschen, im Rahmen eines Dinner-Clubs. Als Gastgeber schaffe ich einen Raum, in dem die Geladenen eine unbeschwerte Zeit verbringen, den sie ausfüllen und durch ihre Anwesenheit, ihre Stimmung und ihr Charisma, beeinflussen. Das ist für mich der zentrale Aspekt der Gastgeberrolle. Für nicht wenige ist Weihnachten – oder auch Ostern – der wichtigste Grund, die Liebsten um ihren Tisch zu versammeln. Liegt mir viel daran, die grösstmögliche Vorfreude zu kreieren, lade ich entsprechend ein. Und da stellen sich schon die ersten Fettnäpfchen in den Weg. Natürlich nicht mit dem Griff zum Smartphone, weder mittels anrufen, noch Kurznachrichten und noch weniger mit Hilfe von Webseiten, die papierlose Einladungen versenden. Ich schreibe. Von Hand. Mit einer Füllfeder, mit echter Tinte. Und warum nicht auch den Menschen, die im selben Haushalt leben? Eine unerwartete und wunderbare Überraschung, für jeden. Wohl dem, der mit seinem Namen bedrucktes Briefpapier hervorziehen kann. In Papeterien finden sich sonst Kärtchen aus hochwertigem Papier, einen Stapel davon sollte immer vorrätig sein daheim. Verfallen Sie nicht der – gut gemeinten – Versuchung – nach Unverträglichkeiten oder Ess-Philosophien zu fragen. Verwöhnte, notorische Mäkler verpacken dann gerne ihre heiklen Anliegen als Allergien. Wer ein ernsthaftes Problem hat, der kommt von selber darauf zu sprechen. Vegetarier und Veganer genauso.
Die Vorbereitungen beginnen immer erst einige Tage zuvor mit der Festlegung des Hauptgangs und der Beschaffung von besonderen Zutaten. Ein Kalbsrack am Knochen oder lieber einen Brasato? Mein Metzger des Vertrauens weiß genau, welche Anforderungen ich an diese Stücke stelle und liefert sie mir nach Hause. Spielen Trüffel eine Rolle? Dann bestelle ich sie zwei bis drei Tage vorher in Italien; per Kurier geschickt, sind sie dann maximal zwei Tage alt. Andere, typische Festtags-Gerichte lasse ich aussen vor. Regale und Kühlvitrinen in den feinen Geschäften sind damit prall gefüllt, fetter Lachs, Hummer und Kaviar buhlen um die Gunst anspruchsvoller Schlemmer. Man gönnt sich was. Ökonomische Regeln, wonach die Preise hoch sind, wenn alle dasselbe wollen, kümmern keinen. Und klar, die Qualität kann da leicht unter die Räder kommen. Weil auch die weniger feinen Geschäfte sich ihren Teil vom Gourmetkuchen abschneiden und Geniesser mit bescheidenen Budgets an die Kühltheken locken. Nun, es gibt noch die Fonduefraktion. Fleisch, Fisch, Geflügel wird gesotten, was das Zeug hält. In mir nagt der Verdacht, dass es dabei eher um die Saucen dazu geht. Oder vermittelt das gemeinsame Stochern im Pfännlein gar ein trügerisches Gefühl der Zusammengehörigkeit? Auf dass Streit und Leid des ablaufenden Jahres genauso verbrannt werden wie oft das zu klein geschnittene Fleisch im heissen Öl? Gemüse geht übrigens auch dafür. Warum nicht hippes Zeugs wie Topinambur, grasgrüner Kale, krumme Rüben in allen Farben? Randen, gepunktet und mehrfarbig gestreift wie ein Einstecktuch? Alles Gemüse, das bis vor kurzem nur dort zu finden war, wo sich deprimierte Menschen treffen: Im Reformhaus. Mittlerweile bieten auch Discounter die Dinger feil. Hipp hipp Hurra.
Das komplette Menü überlege ich mir am Tag vor dem Dinner, und mache die entsprechenden Einkäufe, falls das eine oder andere bereits am Vorabend vorbereitet werden soll (zum Beispiel einen Oktopus weich kochen oder einen Kuchen backen). Vorzugsweise kaufe ich aber am Morgen des Einladungstages ein, meistens auf dem Wochenmarkt, um von maximaler Frische der Zutaten zu profitieren.
Frühzeitig gilt es zu überlegen, wie viel Geschirr und Teller benötigt werden. Am einfachsten geht man jedes Gericht in Gedanken durch. Wie richte ich es an? Benötige ich zu jedem Gang frisches Besteck, genügen zwei Gläser pro Gast? Habe ich genügend Tischwäsche? Welche Blumen besorge ich als Tischdekoration?
Der Vormittag gehört dem Einkaufen; falls eine Zutat nicht erhältlich ist, gibt es eine Menüänderung. Gleichzeitig sind die passenden Weine auszuwählen. Laden sie auf frühen Abend ein, auch wenn das Dinner erst um Zwanzig Uhr startet. Und bitte, heissen Sie Ihre Gäste nicht die Schuhe ausziehen. Nie. Never. Quando Mai! Ihr Parkett kann noch so neu und frisch poliert sein, die Damen auf noch so gefährlich spitzen Absätzen balancieren. Nein. Einer Frau ihre Schuhe verbieten, wäre, wie dem Tell seine Armbrust wegnehmen.
Bei mir gehts dann sofort feuchtfröhlich zu, eiskalt perlt der Pol Roger aus den Magnums und ich verwöhne meine Gäste mit dem, was ich am besten kann: Aus frischen, einfachen, aber allerbesten Zutaten für eine grosse Runde ein Essen zubereiten, das alle restlos begeistert. Und mich selber dabei am glücklichsten macht. Die Berkel dreht, Teller mit Salami und Culatello gehen herum. Dann tische ich vielleicht einen Caesar Salad auf, den besten der Welt. Jeder kann etwas Einmaliges, Unerreichtes. Bei mir ist es dieser Klassiker. Klar, das braucht Vorbereitung. Weisses Sauerteigbrot für die Croutons, in der perfekten Grösse geröstet, allerfeinste Sardellen, frischeste Eier, das beste Extra Vergine. Dann ein King Fish-Ceviche, mit exotischer Schärfe aufgegeppt. Später die unvermeidliche Pasta. Raffiniert und maximal schmackhaft, aber simpel soll sie sein, keiner möchte lange am Herd stehen. Die Paccheri mit Guanciale, dem getrockneten Schweinebackenspeck, frischer Ricotta, Chili und Pecorino? Oder eher die scharfen Linguine, mit N‘duja, der weichen, kalabresischen Chili-Wurst, Tomaten und gesalzenen Kapern? Einerlei, entscheiden darf die Mehrheit, die einfachen Zutaten habe ich ja ständig auf Vorrat. Ich schaue in die Runde, betrachte liebevoll, wie es ihr schmeckt, wie sie Nachschlag fordern, ihre Teller sauber schlecken und den Koch hochleben lassen. Für gute Pasta bekommt man keinen Stern, aber sie berührt die Seele. Der Hauptgang, sei es nun ein Rib Eye am Stück geschmort, einen Brasato oder eine ganze Kalbshaxe, wird aufgeschnitten in die Mitte des Tisches gestellt, jeder bedient sich selbst. Arbeit gab es damit keine mehr, das gute Stück hat sich sozusagen von selbst im Ofen zur Perfektion geschmurgelt. Dessert? Aber sicher. Am liebsten einen glutenfreien Pistazienkuchen, am Vortag zubereitet und nun grandios durchgefeuchtet.
In den Tagen danach kommt der Moment, sich zu bedanken. Für den Besuch, für die Geschenke (so es welche gab). Für die Aufmerksamkeit. Dafür, dass es die Herzenmenschen gibt, mit denen man feierte. Nehmen sie wieder Ihr bestes Schreibgerät hervor. Und tauchen Ihre Feder in den unerschöpflichen Zauberkasten der Poesie, verwandeln Sie Wörter in Sternschnuppen, bringen Sie die Magie des Abends in funkelnden Sätzen auf das Papier. Verteilen Sie Mut und Zuversicht, in diesen schweren Zeiten, alle Herzen werden Ihnen zufliegen.
Bezugsquellen für Trüffel:
Italien (am frischesten und auch am günstigsten)
Am frühen Morgen ausgegraben, vormittags sortiert und per Kurier verschickt, am folgenden Mittag in CH.
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