Die Tage vor dem grossen Lauf versucht unser Kolumnist möglichst relaxed zu verbringen. Und ein kleines Geheimnis – was ihn nebst seinem eigenen Willen körperlich antreibt – verrät er an dieser Stelle auch noch.
Ich hatte ja insgeheim gehofft. Leider vergeblich. Weder wurde der Alpine Marathon wegen Corona abgesagt oder verschoben, noch zwingt mich gerade jetzt dieses fiese Virus ins Bett. Wie auch, ich wurde längst positiv auf Covid-19-Antikörper getestet, noch dazu trage ich die Sars-CoV-2-IgG Antikörper in mir, welche bei den eher schwer Erkrankten zu finden sind. Und ich entwickelte nicht einmal Symptome! Daher kam der Befund für mich (und für den Hausarzt) völlig überraschend. Ein weiteres Indiz für mich, dass Outdoor-Aktivitäten bei jeder Temperatur und jedem Wetter das Immunsystem in Topform halten. Und nun muss sich auch kein Spaziergänger mehr panisch an den Wegrand verdrücken, hört er mich den Üetliberg hoch schnauben.
Trainieren bringt nichts mehr
Natürlich, ich hätte mich disziplinierter vorbereiten können, ja müssen. Zwei Monate vor dem Lauf keinen Alkohol, nichts mehr rauchen, früh schlafen, keinen Sex. Tja. Das eine kann das andere anziehen wie Fliegen. Und gerade reise ich durch Italien und Südfrankreich, auf meinem Weg nach Bordeaux, Freunde besuchen, auf ihrem Weingut in der Gascogne. Hier keinen Wein zum Essen trinken, da könnte ich mich gleich zum Mars schiessen lassen.
Die Tage vor dem Lauf versuche ich möglichst relaxed zu verbringen, Trainieren bringt nichts mehr, der Kreislauf braucht jetzt Ruhe. Obwohl sich meiner der Entdeckung der Langsamkeit rühmen dürfte. Dass mein Ruhepuls nicht endgültig in denjenigen eines schlafenden Blauwals abdriftet, verdanke ich einem kleinen Maschinchen in meiner Brust. Ich trage einen Pacemaker. So, jetzt ist es heraus. Es wäre Nonsens, das zu verheimlichen.
Puls-Kontrolle
Seit er mein ständiger Begleiter ist, schauen mir in der Badi die Menschen immer zuerst auf das Schlüsselbein, erst dann in die Augen. Laut Auskunft des Chirurgen damals, vor zwölf Jahren, fanden sich bei mir nicht genug Fettschichten, um das Teil ordentlich zu verstecken. Muskelfasern wollte er nicht aufschneiden und sonst fand sich auch nirgends ein Plätzchen für das Ding in der Grösse eines Streichholzbriefchens. Nun sitzt er gut sichtbar unter der Haut. Da gewöhnt man sich daran. Ohne den Pacemaker würde mein Puls ins Bodenlose fallen.
Zuletzt – ohne ihn – ging mein Ruhepuls auf neunzehn Schläge hinunter. Pro Minute. Die Erklärung, warum, es würde den Platz hier sprengen. Aber definitiv zu wenig, um eine geregelte Sauerstoffversorgung im Blut zu gewährleisten. Nun greift mein Helferlein ein, sobald der Herzschlag unter vierzig Mal in der Minute fällt. Was er mittlerweile fast ständig tun möchte. Ausser ich bin im Sportmodus. Theoretisch riegelt der Schrittmacher auch gegen oben ab, bei 150 Schlägen. Da gibt es aber Spielraum, bei den wirklich steilen Passagen den Üetli hoch, zeigt die Puls-App auch mal 190 an. Man möchte ja nicht einschlafen beim Hochrennen. Und bei anderem Aufregendem auch nicht.
Pasta und Angewöhnung
Ernährungstechnisch sind in den wenigen Tagen bis zum Lauf am Samstag nun Kohlehydrate angesagt. Hat es zwar im Wein auch. Die Franzosen können aber nicht nur keinen Kaffee machen, mit Pasta stehen sie ebenfalls auf Kriegsfuss. Darum mache ich mich auch auf den Heimweg jetzt, wo ist es denn besser als a casa?
Da wäre noch das Thema Angewöhnung an die Höhe. Zwei Vorgehensweisen stehen zur Wahl. Entweder fünf Tage oder noch länger vorher nach Davos rauf. Oder am Abend oder sogar in der Nacht vor dem Lauf und direkt loslaufen. Alles dazwischen nimmt den Körper zu stark in Anspruch während des Angewöhnungsprozederes. Für mich heisst es also am Freitagabend hin.
Zumindest das Wetter scheint der Prognose nach auf meiner Seite zu sein. Regnerisch und eher kühl. Bei solchem Wetter laufe ich am liebsten. Das kann zwar Schnee auf dem Sertig-Pass bedeuten, aber immer noch besser als drückende Hitze den ganzen Tag. Weil, so lange werde ich wohl benötigen für die siebzig Kilometer.
Die letzte «Säufer rennt»-Kolumne, nächste Woche (falls ich den Samstag überlebe); sie wird über ein grandioses Erlebnis berichten. Mein Freund Viktor riet mir schon, absichtlich zu scheitern. Das gäbe mehr her für einen (letzten) Text. Aber egal, ob ankommen oder scheitern. Hauptsache grandios.
Das Rezept für die Endspurt-Vorbereitung
Hier ein Pasta-Rezept, das auch mit tiefstem Puls gelingt, es sind keine hektischen Entscheide zu treffen.
ZUTATEN FÜR 4 NORMALE ESSER ODER 1-2 ALPINE MARATHON TEILNEHMER:
400g Penne
1.5 Liter Gemüse- oder Hühnerbrühe
1 Kilo wirklich gute, reife Tomaten
Olivenöl extra vergine
2 Knoblauchzehen, zerdrückt
4 Sardellenfilets
2 EL Salzkapern
100g Pecorino
Salz, schwarzer Pfeffer
ZUBEREITUNG
Brühe erhitzen. Tomaten unten kreuzweise einschneiden und 20 Sekunden in die kochende, gesalzene Brühe legen. Herausnehmen, kalt abschrecken und schälen. In grobe Stücke schneiden. In einem Topf Olivenöl erhitzen, Knoblauch, Sardellen, Kapern und Tomaten einige Minuten andünsten. Mit einer Kelle Brühe auffüllen. Pasta hinzugeben. Ähnlich wie ein Risotto fertig garen, immer etwas Brühe zugeben, die Pasta soll gerade von der Brühe/Sauce zugedeckt sein. Wenn sehr al dente, Pasta vom Herd nehmen, geriebenen Käse und schwarzer Pfeffer unterrühren und zugedeckt einige Minuten die Flüssigkeit aufnehmen lassen. Mit mehr Käse servieren.